Selbst­organi­sation –
Organisations­entwicklung

Auf der Suche nach Möglichkeiten, Teams und Organisationen erfolgreicher zu gestalten, wird Selbstorganisation als wichtig eingeschätzt.

Auf der Suche nach Möglichkeiten, Teams und Organisationen erfolgreicher zu gestalten, wird Selbstorganisation als wichtig eingeschätzt. Die einen sehen sie als Chance für effektivere und innovativere Lösungen, die anderen als Befreiung von Statusdenken, Bürokratie und Mikro-Management. Um das Prinzip von Selbstorganisation wirksam zu nutzen, braucht es eine gemeinsame Sicht auf das, was damit gemeint ist und auf die Voraussetzung, unter denen sie sich entfaltet.

Selbstorganisation in der Praxis

Selbstorganisation wird in der Praxis in verschiedenen Bedeutungen verwendet. In der Betriebswirtschaft und der Organisationsberatung ist der Begriff sehr verbreitet als Gegenteil zur Hierarchie. Auch in Zusammenhang mit demokratisch oder kollegial geführten Unternehmen, modernen Organisationsformen wie Netzwerk oder anderen partizipativen Modellen, wird Selbstorganisation als Gegenbegriff zu Hierarchie, Bürokratie, Macht, Anarchie oder Chaos verwendet. Der an sich wertfreie Begriff der Selbstorganisation wird zur Basis und wird normativ wegweisend. Man verspricht sich dadurch höhere Kundenorientierung, bessere Servicequalität, eine höhere Reaktionsfähigkeit. Selbstorganisation beschreibt die Prozesse und Interaktionen, in denen ein soziales System seine Strukturen und Vorgehensweisen selbst produziert und aufrechterhält. Sie beschreibt, wie ein System aus weniger geordneten Zuständen Strukturen aufbaut und aufrechterhält. Man spricht von der Emergenz – entstehen lassen der kollektiven Verhaltensweisen. Ein wichtiges Grundmuster für das Entstehen kollektiver Verhaltensmuster ist die verstärkende Rückkopplung. Die Verhaltensweisen, die als sinnvoll und wirksam angesehen werden, werden verstärkt. Die Sache ist nicht einfach zu überblicken. In sozialen Systemen kommt es zu einer Vielzahl an gleichzeitig ablaufenden, ineinander verschachtelten Prozessen. Der Prozess der Selbstorganisation ist in Bezug auf Struktur und Dynamik, die entsteht, ergebnisoffen und nicht zielorientiert. Das mag auf den ersten Blick seltsam wirken - welche Strukturen und Abläufe dabei entstehen und als funktional anerkannt werden, ist abhängig von der jeweiligen Situation.

Beispiel
Ein Team muss sich die für die jeweilige Situation passende Form der Kooperation selbst bzw. immer wieder neu erarbeiten. Die Teammitglieder müssen herausfinden, welche Form der Zusammenarbeit sie als sinnvoll ansehen. Selbstorganisation ist gerade dort relevant, wo nicht auf eine vorab bekannte Zielgrösse oder Lösung hin optimiert wird – zum Beispiel in Innovationsprozessen, Veränderungen oder Gefahrensituationen. Aus der Verhaltensbiologie weiss man, dass Selbstorganisation in der Natur häufig dort auftritt, wo Gruppen von Individuen schnell und flexibel auf unvorhersehbare Situationen reagieren müssen. Solche emergenten Verhaltensweisen spielen auch in menschlichen Gruppen eine wichtige Rolle. Hinzu kommt, dass Menschen planen und reflektiert handeln und sich weitere Verhaltensweisen entstehen könnten.

Selbstorganisierte Verhaltensweisen und Rahmenbedingungen

In der Forschung wird diskutiert, ob Selbstorganisation nicht in jedem sozialen System präsent ist. Der Forscher Frank H. Baumann-Habersack sagt, «in der Praxis gehe es weniger darum ob, sondern wie stark Selbstorganisation ausgeprägt sei». Entscheidend sei, ob die gewählte Form der Selbstorganisation in Bezug auf Zweck und Ziel des Systems hilfreich sei. Dabei geht es darum, Zielkonflikte zwischen selbstorganisierten Verhaltensweisen und Rahmenbedingungen - gesetzten Zielen, Strukturen und Prozessen, in einer Organisation zu überwinden. Die Frage stellt sich, wie kann man das Potential von Selbstorganisation in Organisationen sinnvoll nutzen?

Leadership

In Veränderungsprozessen oder in Organisationsentwicklung, in denen Selbstorganisation thematisiert wird, ist es deshalb zu benennen, an welchen dieser Aspekte gearbeitet werden soll. Als Gegenbegriff zu klassischen Führungsmodellen wird der Begriff «Leadership» genannt, in welchem die «Selbstorganisation» einen wichtigen Fokus einnimmt.

Methoden und Tools

Es gibt eine Vielzahl an Methoden und Tools, die mit Selbstorganisation in Verbindung gebracht werden - dazu gehören unter anderem:

  • Agile Frameworks wie Scrum
  • Arbeitsmanagement-Methoden wie Kanban-Boards
  • Software-Lösungen wie Content-Management-Systeme oder Chats
  • Organisationsmodelle wie Open Space oder Soziokratie 3.0

Ihnen allen unterliegen für Selbstorganisation wichtige Werte wie Transparenz, Gleichwertigkeit und Verantwortung. Viele dieser Ansätze lassen sich gut miteinander kombinieren. All diese Konzepte können eine sinnvolle Unterstützung bei der Erarbeitung der eigenen Umsetzung sein. Man sollte jedoch nicht die Erwartung haben, dass Methoden oder Tools die oben beschriebenen grundlegenden Fragen abschliessend beantworten. Selbstorganisation ist kein fertiges Konzept, das man einmal entwickelt und dann kopieren kann. Modelle für Organisationen sollten offen für eigene Anpassungen an den jeweiligen Kontext sein.

Zusammenarbeit

Eine geeignete Form der Zusammenarbeit zu finden, ist ein anspruchsvoller Prozess der Geduld, Ausdauer und Konfliktbereitschaft von allen Beteiligten erfordert. Was einfach klingt oder leicht aussieht braucht meist sehr viel Übung und Erfahrung. Produktive Meetings, das Entwickeln geeigneter Vorschläge, gute Entscheidungen im Team zu treffen – all das sind Prozesse, die viel Praxis erfordern. Selbstorganisation ist ein Prozess, in dem neue Ordnung entsteht. Wer am Anfang dieses Prozesses eine klare Vorstellung hat, wie diese Ordnung am Ende aussehen soll, läuft Gefahr, den Prozess zu behindern und enttäuscht zu werden. Die Ideen, Ansätze, Modelle und Praktiken von anderen lassen sich nur begrenzt auf die eigenen Gegebenheiten übertragen. Sie sind als Inspiration nützlich, entlasten einen jedoch nicht davon, selbst herauszufinden, was für einen selbst funktioniert.

© 2025 ph-c | process. human. change.